Der Blogparadenaufruf von Susanne Wagner hat mich dazu animiert, diesen Artikel zum Thema Nicht-Wissen zu schreiben. Sie stellt die Frage, wie ich das (Nicht-)Wissen lebe und warum es für mich wichtig ist. Eine spannende Frage. Ein Leben lang streben wir danach, möglichst viel Wissen und viele Fähigkeiten zu erlangen, um unsere Ziele zu erreichen. In meinem Beruf als Leadership-Coachin, Team-Entwicklerin und Unternehmensberaterin ist jedoch insbesondere das Nicht-Wissen eines der wichtigsten Tools, die mein Wirken so erfolgreich machen. Insbesondere dann, wenn es darum geht, einen Sachverhalt zu reflektieren oder die Perspektive zu wechseln, wenn eine Situation festgefahren wirkt, genau dann ist die Haltung des Nicht-Wissens gefragt. Diese bewusste Arbeit mit dem bekannten Unbekannten ist eines meiner liebsten Tools in Coaching, Training und Beratung. Warum das so ist, erkläre ich in diesem Artikel.
Das findet sich in diesem Blogartikel:
Wissen und Nicht-Wissen gehen Hand in Hand
Auch wenn der Begriff die Vermutung nahelegt, dass Nicht-Wissen bedeutet, nichts zu wissen, trifft das nicht zu. Nur weil ich in einem Bereich, zu einem Thema oder einem Sachverhalt kein explizites Wissen besitze, kann ich dennoch in anderen Bereichen Wissen besitzen, das ich auf das neue Ereignis anwenden kann. Wissen und Nicht-Wissen gehen immer Hand in Hand, mal bekannt, dann wieder unbekannt.
Ich kann unter anderem völlig nicht wissend in ein Training gehen, was die Eigenheiten des Teams, der Personen, gewisser Konfliktthemen oder gar der Branche und dem Unternehmenszweck angeht (immer vorausgesetzt, dass ich einen klaren Auftrag erhalten habe). Dennoch gehe ich nicht unwissend in das Training hinein. Im Gepäck habe ich eine Vielzahl an Tools und Erfahrungen aus Team-Entwicklungen, Coachings, Beratungen, die ich bereits durchgeführt habe, aus neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und der eigenen Lebenserfahrung. Genau diese Sicherheit der eigenen Fähigkeiten und Expertisen ermöglicht mir, in der Haltung des Nicht-Wissens gezielte, wirkungsvolle Impulse zu setzen.
Die Bedeutung für meine Arbeit als Beraterin und Team-Entwicklerin
In der systemischen und hypnosystemischen Arbeitsweise liegt ein großes Potenzial darin, dass möglichst wenige Annahmen getroffen und möglichst viel hinterfragt wird. Denn auf diese Weise wird auch das Gegenüber dazu angeregt, Aspekte zu erklären oder in Worte zu fassen, die bis zu dem Zeitpunkt als gegeben wahr- und hingenommen wurden.
Ein Beispiel: Ich komme als Team-Entwicklerin in ein interdisziplinäres Team, weil die Kommunikation nicht ganz rund läuft. Die Teammitglieder haben das Gefühl, dass sie ständig aneinander vorbeireden. Als mir der Sachverhalt erklärt wird, verwenden die Teilnehmenden viele Fachbegriffe, die in ihrer Disziplin ganz normal sind. Ich kenne sie nicht, frage nach den Bedeutungen. Als die Bedeutung erklärt wird, zeigt sich, dass im Raum 5 unterschiedliche Verständnisse von einem Begriff vorhanden sind. Durch mein Nicht-Wissen und das gezielte Fragen, um das Nicht-Wissen vor Ort in Wissen zu verwandeln – in Interaktion mit den Teilnehmenden – entsteht eine wesentliche Erkenntnis im Team, warum die Kommunikation bisher nicht ganz glattlief.
Die Bedeutung für meine Arbeit als Leadership-Coachin
In meinen Coachings arbeite ich hypnosystemisch und lösungsfokussiert. Das impliziert die Haltung, davon auszugehen, dass mein Gegenüber bereits alles in sich trägt, um mit dem eigenen Anliegen weiterzukommen. Ich bin nur Begleiterin und Unterstützerin. Als solche ist es meine Aufgabe, Fragen zu stellen. So finde ich heraus, was genau die besten Hoffnungen in Bezug auf das Anliegen sind. Ich präsentiere keine Lösungen, sondern begleite im Dialog mein Gegenüber dabei, den bestmöglichen individuellen Weg zu finden, aufbauend auf vorhandenen Stärken und ausgerichtet auf das ganz persönliche Zukunftsbild. Das geht nur mit einer Haltung des Nicht-Wissens. Ich weiß nicht, welches DIE richtige Lösung für mein Gegenüber ist und erteile keine „Rat-Schläge“. (Das wäre eine Haltung des Wissens). Im Gegenteil: Ich gehe davon aus, dass ich wenig oder nichts weiß, was gut für das Anliegen ist. Und genau dieses Nicht-Wissen ermöglicht eine besonders wirkungsvolle Begleitung meiner Coachees.
Die Herausforderungen
Was mir häufig am schwersten fällt, ist, mich vor einem Training oder einer Beratung nicht zu tief in die Spezialgebiete des betreffenden Unternehmens oder das Tätigkeitsfeld eines Teams einzulesen. Denn natürlich möchte ich gerne so viel wie möglich über die Kund*innen erfahren, mich in ihre Logik eindenken. Wenn ich diesem Bedürfnis jedoch nachgebe, dann nimmt es dem Tool des Nicht-Wissens sehr wahrscheinlich einen Großteil seiner Wirkkraft.
Zudem erfordert das Hineingehen mit Nicht-Wissen immer Mut. Es braucht insgesamt ein großes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Denn dieses Tool einzusetzen bedeutet auch, in unbekannten Kontexten neue Informationen in hoher Komplexität schnell zu verarbeiten und gleichzeitig mit dem vorhandenen Wissen in einer solchen Geschwindigkeit zu verknüpfen, dass ein perfekt passender Impuls gesetzt werden kann.
Aber ich verrate Dir was: Diese Herausforderungen machen mir gleichzeitig Spaß. Denn so bin ich bis zuletzt gespannt darauf, was ich alles neues erfahren werde und kein Setting ist jemals gleich. Ich liebe Abwechslung und ich liebe es, Neues zu lernen und meine Komfortzone stetig zu erweitern.
Wenn Du auf das Gefühl hast, eine Begleiterin mit viel Wissen und einer Haltung des Nicht-Wissens wäre für Dich und Dein Anliegen genau das richtige, dann melde Dich gerne für ein unverbindliches Erstgespräch bei mir. Ich freue mich darauf, Dich und Dein Anliegen kennenzulernen.
Liebe Lorena
Vielen Dank für deinen Artikel zum Thema #NichtWissen.
«… möglichst wenige Annahmen getroffen und möglichst viel hinterfragt wird.» Ja, das braucht Mut! Ich finde es toll, wie du das Nichtwissen in deiner Arbeit als Ressource nutzt, reflektierst und anerkennst.
Herzliche Hasengrüsse
Susanne
Liebe Lorena,
als sehr neu- und wissbegieriger Mensch hat mich dieser Artikel sehr interessiert. Ich gehöre zwar nicht zu deiner Zielgruppe, dennoch habe ich ihn gerne gelesen. Als Journalistin habe ich das teilweise ähnlich gehandhabt: zu einer Veranstaltung – Lesung, Vortrag, Kabarett usw. – bin ich gegangen, bewusst ohne vorher nachzulesen, was andere Journalist*innen dazu geschrieben haben, um mir ein unvoreingenommenes Bild zu machen. Was du beschrieben hast, besonders mit der Wirkmächtigkeit des wissenden Nichtwissens, hat mir was gegeben. Vielen Dank.
Herzliche Grüße
Susanne