Was für eine Woche im Januar! Montag noch in Warschau im Tattoo-Studio für’s allererste Tattoo, am Dienstag mit Nachtzug zurück nach Wien und am Mittwoch vom österreichischen Bundeskanzler empfangen. Nach dem Empfang gehe ich mit einer Urkunde und Goldmedaille nachhause, da ich für besondere Verdienste ausgezeichnet wurde. So steht’s Gold auf Gold „Mit Dank und Anerkennung für besondere Verdienste“ für Österreich. Nochmal besonderer, diese Auszeichnung als Deutsche zu erhalten. Wofür ich diese Auszeichnung erhielt und wie die Auszeichnung verlief, das verrate ich Dir in diesem Artikel.
Das findet sich in diesem Blogartikel:
Der Empfang im Bundeskanzleramt
Als ich die Einladung Mitte Januar für einen Empfang erhielt, habe ich mir nicht viel erwartet. Zwar wusste ich, dass es mit einem Projekt zusammenhing, an dem ich im Jahr 2023 mitwirken durfte. Aber viel erwartet habe ich offen gesagt nicht. Vielleicht einen Fototermin im Bundeskanzleramt mit allen Beteiligten. Oder auch ein kurzes Händeschütteln. Aber nicht, was es dann tatsächlich gewesen ist, das war eine wirkliche Überraschung. Für mich und auch für meine Kolleg*innen. Die einzige Information, die ich hatte, war, dass wir spätestens 15 Min. vor dem Termin dort sein sollten. Davor traf ich einige Kolleginnen, gemeinsam gingen wir hinein, inklusive Ausweis – und Einladungskontrolle, Metalldetektor und Security -Begleitung bis ins kleine Marmorzimmer des Bundeskanzleramtes. Dort gab es einen Orangensaft oder Rosé-Sekt-Empfang. Aber noch immer wussten wir nicht, was passieren würde. Im Nachhinein erfuhr ich, dass zumindest die Projektverantwortlichen aus dem Bundeskanzleramt eingeweiht waren. Sonst aber niemand.
Die Rede des Bundeskanzlers
Nach einiger Zeit öffnete sich die große Flügeltür und der Bundeskanzler Karl Nehammer kam herein. Nach einer kurzen Anmoderation hielt dieser eine Rede. Im Wortlaut kann ich sie nicht mehr wiedergeben. Es war eine wirklich schöne Rede, sehr wertschätzend, er bedankte sich dafür, dass wir alle – Wissenschaftler*innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und des Institutes für Höhere Studien (IHS), Moderator*innen, Statistiker*innen von Statistik Austria – den „Aufarbeitungsprozess Corona“ ermöglicht haben. Er ging ein auf Ergebnisse, erläuterte, wie wichtig es ihm persönlich war, dass aus den Erfahrungen der Corona-Krise gelernt würde. Dass es nicht leicht gewesen sei, das Vorhaben dieses Prozesses umzusetzen, dass nicht alle die Idee unterstützt hatten. Es wurde deutlich, dass er sich wirklich mit den Inhalten des Ergebnis-Berichtes auseinandergesetzt hatte. Dann kam die Überraschung: Jede*r die*der am Projekt mitgewirkt hatte, bekam eine Urkunde und eine Goldmünze, auf denen steht: mit Dank und Anerkennung für besondere Verdienste für Österreich.
Die Auszeichnung für besondere Verdienste
Nach der Eröffnungsrede kam die Auszeichnung. Nacheinander wurden wir aufgerufen, gingen vor zum Bundeskanzler, dieser überreichte uns die Urkunde sowie die Goldmedaille. Dann wurde ein Foto gemacht und dazu gab es natürlich von allen anwesenden Applaus. Das Ganze erfolgte 25 Mal. Ich hätte erwartet, dass es danach vorbei wäre und der Bundeskanzler zum nächsten Termin geht. Dem war aber nicht so, was mich positiv überraschte. Es wurden nach dem offiziellen Teil Schnittchen und Dessert-Pralinen serviert sowie Wein und auch Bier.
Wir alle – einschließlich des Bundeskanzlers – blieben weitere 1,5 Std. im Saal für einen lockeren Austausch. Das hat mich vielleicht sogar noch mehr gefreut als der offizielle Teil. Der Austausch auf Augenhöhe mit Kolleg*innen, die Teil des Projekts waren, mit dem Bundeskanzler und einigen seiner Stabsmitglieder. Es war wirklich schön, alle nach dem Projektabschluss noch mal wiederzusehen, insbesondere alle Kolleg*innen, die ebenso wie ich ein Teil des Moderationsteams rund um Christine Hoffmann waren.
Gemeinsames Wirken mit vielen tollen Kolleg*innen
Eine weitere Überraschung für mich war das Wiedersehen mit Alexander Bogner. Bei ihm habe ich in meinem Masterstudium einige Vorlesungen besucht. Er war gerade dabei, seine Habilitation abzuschließen, ich war begeistert von ihm als Didakt und seinen spannenden Inhalten rund um bspw. Expert*innen und Lai*innen. Durch ihn kam ich damals auf die ursprüngliche Idee für mein Masterarbeitsthema (das sich danach veränderte aufgrund verschiedener Umstände). PD Dr. Bogner leitete den Aufarbeitungsprozess aufseiten der ÖAW und ist der Haupt-Verfasser des Abschlussberichtes, der zum Download zur Verfügung steht.
Aus dem Projekt ist mir insbesondere die wirklich feine Zusammenarbeit im Moderator*innenteam und das gemeinsame Wirken mit den Wissenschaftler*innen sehr positiv in Erinnerung geblieben. Danke Ulrike Bechtold (ÖAW), Stefan Rakowsky (BKA), Katharina Gangl (ihs) für viele spannende Gespräche und ein nettes gemeinsames Wirken. Und vor allem danke Christine Hoffmann, für die Zusammenstellung dieses besonderen Moderator*innenteams. Es ist einfach etwas ganz Besonderes, wenn so viele Moderator*innen mit derselben Haltung so leichtgängig gemeinsam arbeiten.
Das Moderator*innenteam, das leider nicht vollständig vertreten war. Auf dem Foto zu sehen (v. l.o.): Sabrina Bachmayr, Lorena Hoormann, Bianca Theuerweckl, Christine Hoffmann, Veronika Lubert, Bettina Kapfer, Tina Eitzenberger-Sedelmaier, Raphaela Plasch, Lisa Vavra. Nicht auf diesem Foto abgebildet: N. M. Feuerstein, Verena Sammer, Oliver Jeschonek, Sebastian Vavra, Janina Jakisic, Sonja Schumacher, Britta Seemann, Luzia Lagler.
Nun bin ich als Deutsche in Österreich ausgezeichnet vom Bundeskanzler. Und wofür eigentlich? Ich würde sagen: weil ich meinen Job gemacht habe und Spaß daran hatte. Das ist vielleicht das Schöne und gleichzeitig auch das Irritierende daran. Ich wurde ausgezeichnet für etwas, das mir eigentlich als „normal“ erschien und das ich liebe. Ich liebe es, mit Gruppen zu arbeiten und mit wunderbaren Kolleg*innen zu kooperieren. Zudem hatte ich auch Glück, dass ich als Kooperationspartnerin für dieses tolle Projekt ausgewählt wurde, dass meine Intuition mir bei diesem Projekt zu einem unbedingten Ja geraten hat und ich ihr gefolgt bin.
Na gut, vielleicht war nicht alles daran Glück und Zufall. Eventuell hat auch meine Expertise und Erfahrung mit Gruppen, wissenschaftlichen Methoden und Moderation einen Anteil daran, wohl auch meine Empathie und mein Gefühl für Menschen in Situationen. Vielleicht auch das Gespür für Situationen und mein Kopf, der meist ziemlich coole Dinge schafft. Aber trotzdem, jetzt, da ich dies schreibe, winkt mir mein Imposter-Syndrom zu, denn aus meiner Sicht gibt es so viele Menschen, die eine solche Auszeichnung noch lange vor mir verdient hätten, weil sie Unglaubliches für unsere Gesellschaft leisten.
Wofür wir ausgezeichnet wurden: Der „Aufarbeitungsprozess Corona“
Es handelte sich dabei um eine Studie in Kooperation von BKA, IHS, ÖAW, Statistik Austria und Christine Hoffmann und Team Eines der größten sozialwissenschaftlichen Projekte, die im Jahr 2023 in Europa durchgeführt wurden. Eine Studie, die bisher europaweit einzigartig ist: Die Auseinandersetzung mit der Pandemie in einer derart wissenschaftlichen Tiefe fand bisher nirgendwo sonst statt.
- Das Studienziel: ein vertieftes Verständnis für komplizierte Problemzusammenhänge entwickeln, verdeutlichen, was man mit Blick auf zukünftige Krisen besser machen kann, Aufarbeitung der Corona-Pandemie.
- Die Bestandteile der Studie: Wissenschaftliche Fallstudien zu unterschiedlichen Aspekten der Pandemie wie der Impfpflicht, dem Heimunterricht oder der zunehmenden Polarisierung und ein Dialogprozess mit Bürger*innen „Österreich am Wort“.
- Meine Rolle: Als Moderatorin im Dialogprozess die Räume schaffen, in denen Bürger*innen gemeinsam Empfehlungen für Politik, Wissenschaft, Bevölkerung und Medien erarbeiten.
Ich durfte in 3 Bundesländern jeweils 1 Tag lang Fokusgruppen moderieren. Jeweils eine in: Wien, Steiermark, Kärnten. Die Fokusgruppen waren jeweils 6- 8 Personen stark. Neben mir waren noch 4 andere Moderator*innen mit ihren Fokusgruppen vor Ort beschäftigt. Pro Bundesland wurden insgesamt 5 Fokusgruppen durchgeführt. So entstanden Empfehlungen und Daten gemeinsam mit insgesamt 300 Vertreter*innen der österreichischen Bevölkerung.
In diesen Fokusgruppen war es unsere Aufgabe, einen Raum für Austausch unter den Beteiligten zu schaffen. Es sollten untereinander Geschichten und Erfahrungen aus der Pandemie-Zeit ausgetauscht werden. Zentral dabei: das Zuhören, das Wahrnehmen anderer Perspektiven und das Erarbeiten GEMEINSAMER Visionen sowie Empfehlungen für den – hoffentlich niemals mehr eintretenden – Fall einer erneuten Krisensituation. Die Empfehlungen sollten sich jeweils richten an 1) die Politik 2) die Wissenschaft 3) die Medien 4) die Bevölkerung.
Was all das so besonders und aus Moderationssicht herausfordernd gemacht hat, war der Umstand, dass die Zusammensetzung der Gruppen maximal heterogen war. Sowohl bezüglich soziodemografischer Daten, als auch hinsichtlich der Haltung gegenüber und der Erfahrung mit der Pandemie und den Maßnahmen. Dieser Austausch ist immer gelungen. So entstanden ohne Spaltung und Polarisierung ein Austausch mit bewegenden Momenten und gemeinsame Ergebnisse.
Ganz persönliche, besondere Momente
Besondere Momente für mich waren bspw. als mir eine ältere Dame am Ende des Tages ein von ihr selbst genähtes Lavendel-Duft-Herz überreichte. Handtellergroß mit Schlaufe zum Aufhängen. Dazu sagte sie mir: „Das habe ich genäht aus der Bettwäsche, die meine Eltern als Aussteuer vor 65 Jahren zur Hochzeit bekamen. Und ich möchte es Ihnen gern als Dank mitgeben, das heute war wirklich eine besondere Erfahrung.“ Dieses Herz hängt bei mir am Schreibtisch. Zusätzlich habe ich auch von einer Frau am Nachbartisch einen Tipp für eine Outdoor-Hängematte erhalten, in der mensch super im Wald übernachten könne, auch wenn es kühl sei. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir darauf kamen, wir kannten uns nicht. Aber aus einem unbekannten Grund – so habe ich manchmal das Gefühl – erspüren wir wohl Menschen, mit einer ähnlichen „Schwingung“.
Einige kamen zu mir am Schluss und sagten, sie seien so froh und stolz ein Teil davon gewesen zu sein. Es sei so wunderbar gewesen, sich auszutauschen. Dass erzählt und zugehört wurde. Dass sie mit Menschen in Kontakt kommen konnten, denen sie vermutlich niemals in ihrem Alltag begegnet wären. Dass sie viel gelernt haben und die erarbeiteten Ergebnisse voll unterschreiben werden als Tisch. Dass sie sich trauten selbst was davon, den anderen Tischen zu präsentieren. Teils wurden Telefonnummern ausgetauscht. Es gab Umarmungen, manchmal sogar Tränen. Es war Platz für alles, was das Menschsein mitbringt. Und ich bin sehr dankbar, dass ich für die Menschen an meinem Tisch immer diesen besonderen Raum halten durfte.
Ich bin jedenfalls sehr dankbar, dass ich ein Teil davon sein durfte. All diese Momente werden mir immer in Erinnerung bleiben. Und die Münze wird mich immer daran erinnern.
Liebe Lorena herzlichen Glückwunsch zu der besonderen Auszeichnung.
Ein sehr interessanter Beitrag.
Ich wünsche dir weiterhin viel Freude und Erfolg.
Herzliche Grüße von Anita.
Liebe Anita,
vielen Dank 😀 Danke auch für Deinen Kommentar und danke für`s Lesen 🙂
Einen wunderbaren Tag Dir und ebenfalls viel Freude und Erfolg!
Lorena
Liebe Lorena, herzlichen Glückwunsch zur Beteiligung an der Studie und natürlich zur Auszeichnung. Das liest sich sehr spannend und macht mich neugierig. Kann ich irgendwo mehr über die Studie und die Ergebnisse erfahren? Danke fürs Mitnehmen ins Bundeskanzleramt. Herzliche Grüße Sylvia
Liebe Sylvia,
es gibt einen Abschlussbericht, der frei herunterladbar ist unter folgendem Link: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:0668fa51-0122-4efe-a49e-6270a3a05840/82a_1_bei_NB.pdf
Vielleicht schreibe ich demnächst noch eine kurze Inhaltsangabe dazu auf meinem Blog.
Die Daten werden auch noch in weitere Forschungen einfließen in den nächsten Jahren (Doktorarbeiten usw.). D.h. gelegentlich werden immer mal wieder Erkenntnisse aus den Daten generiert. Falls ich davon was mitbekomme, verlinke ich es gern auch hier!
Liebste Grüße,
Lorena