Seit Jahresbeginn 2021 setze ich bewusst immer mehr Schritte in Richtung einer pflanzenbasierten Ernährung und das ist nicht immer leicht. Die Blogparade von Sandra Hoppenz zum Thema „Die Zukunft is(s)t vegan? Wie bist du vegan geworden ODER warum bist du es (noch) nicht?“ hat mich auf die Idee gebracht, meinen bisherigen Weg einmal zu reflektieren. Aus dieser Reflexion entstand der Blogartikel, den Du gerade liest.
Das findet sich in diesem Blogartikel:
Keine neue Idee, sondern die Umsetzung einer Überzeugung, die immer da war
Wenn ich genau darüber nachdenke, dann ist die Überzeugung, dass Tiere zu essen nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, nicht neu. Eigentlich habe ich mich schon als Kind für Tierwohl eingesetzt. Ich habe Unterschriften gegen Tiertransporte auf selbst gemalten Listen bei Nachbar*innen gesammelt und war sehr mitfühlend und tierliebend. Sogar beim Klatschen von Mücken kam ein schlechtes Gewissen, weswegen ich zuvor immer geschaut habe, ob sie männlich (stechen nicht) oder weiblich waren. Interessant eigentlich, dass ich das Fleischessen scheinbar lange Zeit nicht damit in Verbindung gebracht habe. Das war irgendwie außerhalb meiner Wahrnehmung als Kind.
Warum ich nicht früher auf pflanzenbasierte Ernährung umgestellt habe
Es gibt wahrscheinlich unzählige Gründe, warum ich nicht früher bereits vegetarisch oder vegan wurde. Ich glaube, dass das Essen von Lebewesen einfach in meinem und dem Wertesystem meiner Umgebung einfach ein „Is so“ war. Es wurde gar nicht infrage gestellt, sondern gehörte einfach dazu. Und das ist verständlich. Gleichzeitig hätte ich jederzeit die Entscheidung treffen und dazu stehen können, kein Fleisch mehr zu essen. Aber das habe ich nicht gemacht und wenn ich heute darüber nachdenke, dann glaube ich, dass es insbesondere an drei ganz unbewussten Wirkfaktoren lag: die Verknüpfung zu Wohlstand und Akzeptanz und die Rücksicht auf andere.
Die unterbewusste Bedeutung von Fleisch als Zeichen für Wohlstand
Zwar gab es bei uns nie die typischen Festtagsbraten wie Gänse, Enten, Hasen oder Forellen. Aber Fleisch und Milchprodukte gehörten zumindest gelegentlich dazu. Speziell im Winter ist in Norddeutschland ein reichhaltiges, fettes Essen Tradition, bspw. Kohl und Pinkel mit Kochwurst und Kasseler. Ein Essen, das evolutionstechnisch ja auch ein Stück weit gleichbedeutend ist, mit der Möglichkeit in der Kälte zu überleben. Und ich erinnere mich auch daran, wenn ich satt, aber noch Brot übrig war, dass meine Oma immer sagte: „Dann iss wenigstens die Wurst und den Käse“. Wurst und Käse, also tierische Produkte, waren damit auch irgendwie immer etwas Wertvolles, zumindest unbewusst (verständlich, denn das gab es im Krieg eben nicht oder nur selten). Und wer bin ich schon, dass ich so etwas wegschmeiße oder nicht wertschätze?
Fleisch als Hilfsmittel eine Akzeptanz in sozialen Systemen als Frau zu erlangen
Ja, auch dafür war das Fleisch essen gut: Eine Frau ist cool, wenn sie mindestens genauso viel Fleisch, Fett und Ungesundes essen kann wie jeder Mann. Ein Faktor, der insbesondere im ländlichen Kontext irgendwie relevant war. Das soll nicht heißen, dass ich das bewusst gemacht habe. Aber es war im Nachhinein reflektiert doch auch prägend. Das Fleisch als ein männliches Nahrungsmittel, das Kraft gibt und stark macht. Und das eben nicht nur beim Mann, sondern auch bei der Frau oder dem Mädchen. Gesund Essen war hingegen eher belächelt als gleichbedeutend mit „Diät“. Wer kein Fleisch und nichts Fettes isst, der oder die beabsichtigt abzunehmen, ist gesundheitlich eingeschränkt und „darf“ das „wirklich leckere Zeug“ nicht mehr essen. Bedauernswert. Frei nach dem Motto: Du bist gesund und munter, wenn du alles isst, was du willst und dir fettes, tierisches Zeug nichts ausmacht. Schon spannend irgendwie. Ahja, da fällt mir ein, besonders cool als Mädchen war man in den Augen anderer irgendwie auch, wenn man sich traute Pferdewurst zu essen :/
Fleisch essen aus Rücksicht auf die Gefühle anderer
Ein weiterer Wirkfaktor ist, was mich betrifft, in jedem Fall auch die Rücksicht auf andere. Ich erinnere mich daran, dass ich einmal – ich war etwa 11 Jahre alt – einen schrecklichen Albtraum hatte. Darin ging es um ein Schwein, das mein Freund war und es wurde geschlachtet und gegessen. Aus diesem Traum bin ich aufgewacht mit der ganz klaren Entscheidung: Ich kann und will kein Fleisch mehr essen! Das habe ich dann auch meinen Eltern erzählt. Blöd nur, dass ausgerechnet an dem Tag eines meiner Lieblingsessen zubereitet worden war: Rouladen. D.h. Mama stand wirklich lange in der Küche und hat gekocht. Und als ich den Blick sah und die Enttäuschung, weil sie mir etwas Gutes tun wollte und das nun nicht mehr ging, habe ich mich umentschieden und doch die Rouladen gegessen. Dabei denke ich, dass sie es bestimmt unterstützt hätte, wenn es mir wirklich ernst gewesen wäre. War es mir aber scheinbar nicht zu diesem Zeitpunkt. Derart Momente gab es immer wieder. Momente, in denen ich für mich beschlossen hatte, vegetarisch zu werden und es am Ende nicht umgesetzt habe.
Wann ich meine Entscheidung traf eine pflanzenbasierte Ernährung umzusetzen
Die Entscheidung auf Fleisch ganz zu verzichten und zudem auch Milchprodukte zu ersetzen und es wirklich durchzuziehen, die traf ich tatsächlich erst 2021. Dazu beigetragen hat mit Sicherheit auch, dass ich mich zuvor immer mehr mit den Themen Ernährung und Klimawandel auseinandergesetzt habe. Ich begann einigen Accounts zu folgen, die das Thema von unterschiedlichsten Seiten beleuchten und durch die ich sehr viel lernen durfte und immer noch lerne (z.B. Aljosha). Meine Gesangslehrerin, bei der ich Mitte 2021 mit Unterricht begann, lebt zudem vegan und setzt sich sehr stark gegen Massentierhaltung ein, sowie für die Aufklärung, wie unsere Nahrung wirklich produziert wird. Und eine meiner Coaching Ausbilder*innen ist ebenfalls vegan. Noch dazu habe ich Milch immer weniger vertragen, bin daher auf alternative Produkte umgestiegen.
Je mehr ich mein Wissen rund um die Themen Klima, Tierhaltung, Ernährung usw. erweitert habe, umso schwerer fiel es mir, ohne schlechtes Gewissen tierische Produkte zu essen. Also beschloss ich, mich nach Alternativen umzusehen. Und was soll ich sagen: da gibt es mittlerweile wirklich viel und es ist nicht teurer als tierische Produkte. Beim Ausprobieren von anderen Rezepten und Zutaten fiel mir auf, dass durch die pflanzliche Ernährung sogar die Vielfalt auf meinem Teller zunahm. Wenn ich zuvor als Hauptzutat ein Stück Fleisch gebraten und dazu Beilagen kombiniert habe, so wurden die Möglichkeiten durch den Wegfall des Fokus auf Fleisch und was dazu um ein Vielfaches vielfältiger. Ich fand für mich relativ schnell heraus, welche Produkte mir helfen, weniger tierische Nahrung zu mir zu nehmen (meine 10 top Tipps kannst Du in diesem Artikel nachlesen.). Erstaunt hat mich, dass ich relativ viele Ersatzprodukte genutzt habe und nutze. Früher als Fleischesserin habe ich mich darüber oft aufgeregt. Aber weißt Du was? Es ist ganz schön praktisch, wenn mensch auch die alten, schnellen Lieblingsrezepte weiterhin kochen kann, wie bspw. Bolognese oder Cevapcici.
Was mir teilweise noch immer schwerfällt
Direkt nach der Entscheidung, vegan zu werden, war ich super motiviert. Ich wollte sofort alles umsetzen. Das gelang mir tatsächlich auch einige Zeit relativ gut. Aber nicht durchgehend. Was mir teilweise immer noch schwerfällt, ist der Verzicht auf leckeren Käse, denn ich liebe Käse und auch z.B. 4 Käse Pizza. Und es fällt mir echt schwer keinen Fisch zu essen, insbesondere dann, wenn ich in meiner Heimat bin an der Nordsee. Denn dort weiß ich, wo es den frischsten Fisch und die gerade gefangenen Nordseekrabben gibt. Und das ist immer noch sehr verführerisch für mich. Bisweilen bekomme ich auch richtig Heißhunger auf z.B. Butter oder Käse. Eine Freundin sagte mir, dass dies auch Zyklusabhängig sein kann. Und ich habe eine Schwäche für den Grießpudding mit roter Soße, den es im Supermarkt in so riesigen Bechern gibt. Auch, wenn ich essen gehe, kann es manchmal kompliziert werden, etwas Veganes zu bekommen, das schmeckt. Vorwiegend dann, wenn es schnell gehen soll. Aber das ist o.k. so, habe ich für mich entschieden.
Warum es O.K. ist, nicht von jetzt auf gleich alles zu ändern
Nicht sofort alle Gewohnheiten zu ändern, ist vollkommen o.k. Das habe ich für mich beschlossen. Es ist ein Prozess und muss nicht von jetzt auf gleich gehen. Viele Routinen gilt es bei einer derart massiven Umstellung aufzulösen und neu zu definieren. Das braucht seine Zeit. Auch der Körper braucht Zeit, sich auf die neue Ernährung einzustellen. Und wenn mensch wie ich keine Schilddrüse mehr hat und auch zeitweilig Serotoninblocker nimmt, ist es so schon oft schwer genug, sodass es nicht künstlich noch schwerer werden muss. Es ist einfach O.K. sich die Zeit zu nehmen, die es braucht, egal wobei. Auch bei diesem Thema. Jeder Schritt in die gewünschte Richtung, bewirkt bereits etwas. Jeder Schritt ist ein Erfolg.
Liebe Lorena 🙏🏻 Vielen herzlichen Dank für deine Teilnahme an meiner Blogparade mit deinen Rückblick auf deinen Weg in ein pflanzenbasiertes Leben. Ich mag deine Erkenntnis sehr, damit o.k. zu sein, Schritt für Schritt zu gehen. Herzensumarmung ☀️ Sandra